Managementzusammenfassung dieses Beitrags:
Die FMEA — → Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse — dient der Vorhersage von möglichen Schwachstellen von Produkten oder → Dienstleistungen und wird als Teildisziplin dem → Qualitätsmanagement wie auch dem → Risikomanagement zugeordnet.
In diesem Beitrag wird die FMEA vorgestellt.
Die FMEA — Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (englisch Failure Mode and Effects Analysis) — ist ein Verfahren zur Vorhersage möglicher Schwachstellen und deren Auswirkung in noch zu erstellenden Produkten (oder Dienstleistungen).
In der FMEA werden die potenziellen Fehler, die potenziellen Folgen des Fehlers und die potenziellen Fehlerursachen ermittelt und erfasst.
1. Einleitung und Grundlagen
Die FMEA wird durch wenige zentrale Elemente beschrieben. Diese werden hier — neben den Definitionen — benannt und beschrieben.
Es sind im Einzelnen:
- Die sieben Schritte der FMEA, die das Vorgehen zur Durchführung benennen
- Die FMEA-Arten, die zur Unterscheidung und angepassten Vorgehensweise dienen
- Das FMEA-Formblatt, welches zur Erfassung der potenziellen Schwachstellen verwendet wird
- Die Risikoprioritätszahl, die das weitere Vorgehen einzelner Mängel steuert
1.1 Definitionen
In der Wikipedia steht zur FMEA /#Wiki-FMEA/:
“FMEA (englisch Failure Mode and Effects Analysis, deutsch Fehlermöglichkeits- und ‑einflussanalyse oder kurz Auswirkungsanalyse) sowie FMECA (engl. Failure Mode and Effects and Criticality Analysis) sind analytische Methoden der Zuverlässigkeitstechnik. Dabei werden mögliche Produktfehler nach ihrer Bedeutung für den Kunden, ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit und ihrer Entdeckungswahrscheinlichkeit mit jeweils einer Kennzahl bewertet.”
Mögliche → Schreibweisen:
Fehlermöglichkeits- und ‑einflussanalyse, Fehlermöglichkeits- und ‑Einflussanalyse, Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse, Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse
In diesem Beitrag wird die fettgedruckte Schreibweise verwendet, da diese auch in der neueren deutschen Literatur /Tietjen20, Pfeuffer21/ zu finden ist.
1.2 Die sieben Schritte der FMEA — das generelle Vorgehen
Seitens des VDA (Verband der Automobilindustrie) wird (seit 2019) folgendes Vorgehen in sieben Schritten zur Durchführung der FMEA vorgeschlagen:
- Planung und Vorbereitung
- Strukturanalyse
- Funktionsanalyse
- Fehleranalyse
- Risikoanalyse
- Optimierung
- Ergebnisdokumentation
Anmerkung:
Vor 2019 wurde eine Durchführung in 5 Schritten bevorzugt. Dies ist entsprechend in der älteren Literatur zu finden (Abbildung 1.1).
Abbildung 1.1: Die Durchführung der FMEA in fünf Schritten
1.3 Die FMEA-Arten
Die FMEA kann in drei Arten unterschieden werden (nach /DGQ12/, Abbildung 1.2):
- System-FMEA
- Konstruktions-FMEA
- Prozess-FMEA
Abbildung 1.2: Die FMEA-Arten
Anmerkung:
Häufig werden die System- und die Konstruktions-FMEA zusammenfassen als “Produkt-FMEA” bezeichnet.
Die drei Arten sind in Abbildung 1.3 tabellarisch gegenübergestellt.
Abbildung 1.3: Die FMEA-Arten und ihre Besonderheiten
1.4 Das FMEA-Formblatt
Die einzelnen Werte der FMEA werden in einer Tabelle (Abbildung 1.4) erfasst — diese Tabelle wird als FMEA-Formblatt bezeichnet. Ein solches Formblatt wird häufig mit einem Tabellenkalkulationsprogramm bearbeitet.
Abbildung 1.4: Ein FMEA-Formblatt (Vorlage)
In diesem Formblatt gibt es folgende 18 Felder:
- ID: Eindeutige Identifikationsnummer
- Systeme / Merkmal: Beschreibt das betrachtete System
- Potenzielle Fehler
- Potenzielle Folgen des Fehlers
- Potenzielle Fehlerursachen
- Derzeitiger Stand: Vorgesehene Prüfungsmaßnahme
- Derzeitiger Stand: Bedeutung
- Derzeitiger Stand: Auftreten
- Derzeitiger Stand: Entdeckung
- Derzeitiger Stand: RPZ — Risikoprioritätszahl
- Empfohlene Abstellmaßnahme
- Verantwortlicher
- Verbesserter Stand: Getroffene Maßnahme
- Verbesserter Stand: Bedeutung
- Verbesserter Stand: Auftreten
- Verbesserter Stand: Entdeckung
- Verbesserter Stand: RPZ — Risikoprioritätszahl
- Anmerkungen
1.5 Die Risikoprioritätszahl (RPZ)
Die Risikoprioritätszahl (RPZ) ist das Produkt aus …
- der Bedeutung B (Auswirkung für den Kunden),
- der Wahrscheinlichkeit des Auftretens A und
- der Entdeckungswahrscheinlichkeit vor Auslieferung E.
Die drei Faktoren haben dabei jeweils einen Wert zwischen 1 und 10, sodass die RPZ einen Wert von 1 bis 1.000 annehmen kann. Typischerweise ist der Wert 125 die Schwelle, ab der Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Die möglichen Interpretationen der RPZ sind in Abbildung 1.5 dargestellt.
Abbildung 1.5: Die Risikoprioritätszahl (RPZ) mit ihren drei Faktoren (Kurzübersicht)
2. Die FMEA im Einsatz
Hier werden einige konkrete Beispiele des Einsatzes der FMEA wiedergegeben.
3. Die Neuerungen der FMEA seit 2019
Der VDA (Verband der Automobilindustrie) hat in 2019 in Zusammenarbeit mit dem AIAG (Automotive Industry Action Group) eine “neues” FMEA-Handbuch herausgebracht /VDA-FMEA-Handbuch/, welches als “bindend” angesehen werden kann. In diesem Handbuch gibt es einige Neuerungen (gegenüber der Altfassung aus dem Jahr 2012) — die wesentlichen sind in Abbildung 3.1 zusammengefasst.
Abbildung 3.1: Die Neuerungen der FMEA ab 2019 (nach VDA und AIAG)
Im Einzelnen:
- Statt drei FMEA-Arten (System-FMEA, Konstruktions-FMEA, Prozess-FMEA) gibt es nun zwei: Design-FMEA (DFMEA) und Prozess-FMEA (PFMEA). Zudem ist eine Ergänzung für Monitoring und Systemreaktion (FMEA-MSR) hinzugekommen
- Die fünf Schritte zur Durchführung werden um zwei Schritte ergänzt, sodass es jetzt sieben Schritte zur Durchführung gibt
- Die Risikoprioritätszahl (RPZ) wird durch die Action Priority (AP) ersetzt
Anmerkung:
Es gibt keine Übergangsregelung / ‑pflicht von der alten auf die neue Fassung der FMEA. Bestehende, ausgefüllte FMEA-Formblätter müssen nicht migriert oder aktualisiert werden.
4. Stärken und Schwächen der FMEA
Die FMEA hilft bei der Ermittlung von Schwächen in Produkten. Aufgrund der Einfachheit und Verständlichkeit “für jedermann” kommt die FMEA häufig (in verschiedenen Kontexten) zum Einsatz. Die Stärken und Schwächen des Einsatzes der FMEA sind hier aufgeführt.
Stärken:
- Die FMEA ist ein etabliertes und standardisiertes Verfahren
- In der Grundfassung kann die FMEA schnell erstellt werden
- Bei Verwendung von FMEA-Tabellen / ‑Formblättern wird ein einheitliches, für jedermann gut verständliches Bild der Produktschwächen erzeugt
- Es sind auch spezielle Software-Tools am Markt verfügbar
- Die Ergebnisqualität ist im Allgemeinen hoch
- Die Ergebnisse sind automatisch gut dokumentiert und transparent
- Die FMEA ist in vielen unterschiedlichen Bereichen einsetzbar
Schwächen:
- Bei großen Systemen mit sehr vielen Einträgen (von potenziellen Fehlerquellen) kann die Übersicht verloren gehen
- Der → Aufwand zur Durchführung der FMEA ist erheblich
- Expertenwissen ist notwendig
- Ohne Moderation kann das Ergebnis mangelhaft werden; daher sollte ein geschulter Moderator eingesetzt werden
5. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zur FMEA
Einige Fragen zur FMEA werden häufig gestellt – diese werden hier wiedergegeben.
- F: Müssen Lizenzgebühren für die Verwendung der FMEA gezahlt werden?
A: Nein. Die Nutzung der FMEA ist kostenfrei. - F: Kann auf den Einsatz der FMEA in der Produktentwicklung verzichtet werden?
A: Es kommt darauf an. Um hohe → Qualität bei der Erstellung eines Produkts nachzuweisen, kommt häufig die FMEA zum Einsatz. Allerdings kann man auch andere Methoden verwenden. - F: Ist der Einsatz der FMEA auf “technische Disziplinen” wie Automotive oder Maschinenbau beschränkt?
A: Nein. Die FMEA kann in vielen verschiedenen Disziplinen eingesetzt werden. - F: Reicht ein Tabellenkalkulationsprogramm zur Durchführung der FMEA?
A: Dies ist nur für “kleinere” Produkte und Untersuchungen sinnvoll. Aber einer gewissen Größe oder wenn die Ergebnisse “revisionssicher” abgelegt werden müssen, sollte ein dediziertes Software-Tool zum Einsatz kommen.
Haben Sie noch weitere Fragen oder möchten Sie Ergänzungen an der FAQ vornehmen? Am besten schreiben Sie mir hierzu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.
A. Präsentationen, Literatur und Weblinks
A.1 Meine öffentliche Präsentation zur FMEA
- -
A.2 Literatur
- /Algedri15/ Jamal Algedri, Ekkehart Frieling: Human-FMEA – Menschliche Handlungsfehler erkennen und vermeiden, Hanser, München 2. Auflage 2015, ISBN 978–3‑446–44382‑2
- /DGQ12/ DGQ – Deutsche Gesellschaft für Qualität: FMEA – Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse: DGQ-Band 13–11:2012, Beuth, Berlin 5. Auflage 2012, ISBN 978–3‑410–32333‑4
- /Hering19/ Ekbert Hering, Alexander Schloske: Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse: Methode zur vorbeugenden, systematischen Qualitätsplanung unter Risikogesichtspunkten, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019, ISBN 978–3‑658–25762‑0
- /Kamiske14/ Gerd F. Kamiske, Hans-Joachim Pfeufer: FMEA – Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse, Hanser, München 2014, ISBN 978–3‑446–44253‑5
- /Kamiske20/ Gerd F. Kamiske, Jörg-Peter Brauer: ABC des Qualitätsmanagements, Hanser, München 5. Auflage 2020, ISBN 978–3‑446–44650‑2
- /Pfeifer21/ Tilo Pfeifer, Robert Schmitt: Masing Handbuch Qualitätsmanagement, Hanser, München 7. Auflage 2021, ISBN 978–3‑446–46230‑4
- /Pfeufer21/ Hans-Joachim Pfeufer: FMEA – Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse nach AIAG und VDA, Hanser, München 2. Auflage 2021, ISBN 978–3‑446–46741‑5
- /Schmitt15/ Robert Schmitt, Tilo Pfeifer: Qualitätsmanagement. Strategien – Methoden – Techniken, Hanser, München 5. Auflage 2015, ISBN 978–3‑446–43432‑5
- /Stamatis03/ D. H. Stamatis: Failure Mode and Effect Analysis, American Society for Quality – Quality Press, Milwaukee 2nd Edition 2003, ISBN 978–0‑87389–598‑9
- /Tietjen11/ Thorsten Tietjen, Dieter H. Müller, André Decker: FMEA Praxis. Das Komplettpaket für Training und Anwendung, Hanser, München 3. Auflage 2011, ISBN 978–3‑446–40267‑6
- /Tietjen20/ Thorsten Tietjen, André Decker: FMEA-Praxis. Einstieg in die Risikoabschätzung von Produkten, Prozessen und Systemen Hanser, München 4. Auflage 2020, ISBN 978–3‑446–46211‑3
- /VDA-FMEA-Handbuch/ VDA: AIAG & VDA FMEA-Handbuch: Design-FMEA, Prozess-FMEA, FMEA-Ergänzung – Monitoring & Systemreaktion, Verband der Automobilindustrie, Berlin 2019, keine ISBN
- /Werdich12/ Martin Werdich: FMEA – Einführung und Moderation: Durch systematische Entwicklung zur übersichtlichen Risikominimierung (inkl. Methoden im Umfeld), Springer Vieweg, Wiesbaden 2. Auflage 2012, ISBN 978–3‑8348–1787‑7
- /Werdich21a/ Martin Werdich: Design-FMEA Arbeitsbuch: Erstellen Sie Ihre erste eigene FMEA, Books on Demand, Norderstedt 2021, ISBN 978–3‑946073–20‑8
- /Werdich21b/ Martin Werdich: Prozess-FMEA Arbeitsbuch: Erstellen Sie Ihre erste eigene FMEA, Books on Demand, Norderstedt 2021, ISBN 978–3‑946073–22‑2
A.3 Weblinks
- /DGQ/ DGQ — Deutsche Gesellschaft für Qualität: Website
- /FMEA-Konkret/ FMEA Konkret: Zeitschrift zur FMEA von /Werdich12/ (deutsch): Website
- /VDA-FMEA-Handbuch/ VDA-FMEA-Handbuch: Bestellseite
- /VDA4.2/ Die veraltete VDA 4.2 „Produkt- und Prozess-FMEA“: Bestellseite
- /#Wiki-FMEA/ FMEA in der deutschen Wikipedia
- /#Wiki-Qualitätsmanagement/ Qualitätsmanagement in der deutschen Wikipedia
Legende zu den Weblinks
/ / Verweis auf eine Website (allgemein)
/*/ Verweis auf eine Website, die als Ergänzung zu einem Buch dient
/#/ Verweis auf ein einzelnes Thema auf einer Website
/#V/ Verweis auf ein Video auf einer Website
Letzte Aktualisierung: 16.05.2021 © Peterjohann Consulting, 2005–2024