Satzschablonen Das Formulieren von Anforderungen mit Schablonen

Manage­ment-Zusam­men­fas­sung die­ses Bei­trags:
Satz­scha­blo­nen sind ein Hilfs­mit­tel, um Ein­zel­an­for­de­run­gen so zu struk­tu­rie­ren und zu for­mu­lie­ren, dass sie eine hohe → Qua­li­tät auf­wei­sen.
In die­sem Bei­trag wer­den Satz­scha­blo­nen und deren Ein­satz im → Requi­re­ments Engi­nee­ring beschrieben.

Satz­scha­blo­nen (auch Anfor­de­rungs­scha­blo­nen, eng­lisch Phra­se Tem­pla­tes oder Requi­re­ment Tem­pla­tes) die­nen der natür­lich­sprach­li­chen Erfas­sung von (ein­zel­nen) Anfor­de­run­gen. Durch den Ein­satz von Satz­scha­blo­nen erhal­ten die For­mu­lie­run­gen in den Sät­zen eine gleich­ar­ti­ge Struk­tur, die den Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum redu­zie­ren und damit Miss­ver­ständ­nis­se ver­mei­den. Ursprüng­lich ent­wi­ckelt wur­den sie von Chris Rupp /Rupp14, Rupp20, #Sophist-Wis­sen-For-Free/, inzwi­schen sind sie in der Requi­re­ments-Engi­nee­ring-Welt ver­an­kert und auch für die eng­li­sche Spra­che vorhanden.

Hin­weis:
Ein Groß­teil der hier beschrie­be­nen Vor­ge­hens­wei­sen stammt von Chris Rupp und den Sophis­ten /Rupp14, Rupp20, #Sophist-Wis­sen-For-Free, #Sophist-MAS­TeR-Bro­schü­re-24/.

Die Ein­ord­nung (der Ver­wen­dung) der Satz­scha­blo­nen ist in Abbil­dung 0.1 dar­ge­stellt: Satz­scha­blo­nen die­nen der natür­lich­sprach­li­chen Beschrei­bung von ein­zel­nen Anfor­de­run­gen. Sie basie­ren auf → Vor­la­gen, die eine Struk­tur vorgeben.

Einordnung von Satzschablonen im Requirements-Engineering-Kontext, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 0.1: Ein­ord­nung von Satz­scha­blo­nen im Requirements-Engineering-Kontext

1. Einleitung und Grundlagen

Bei Rupp /Rupp14, #Sophist-MAS­TeR-Bro­schü­re-24/ wird defi­niert:
“Eine Anfor­de­rungs­scha­blo­ne ist ein Bau­plan, der die Struk­tur eines ein­zel­nen Anfor­de­rungs­sat­zes festlegt.”

Im → Glos­sar des → IREB /#IREB-Glossar-24/ steht:
Satz­scha­blo­ne (Phra­se tem­p­la­te): “A tem­p­la­te for the syn­tac­tic struc­tu­re of a phra­se that expres­ses an indi­vi­du­al requi­re­ment or a → user sto­ry in natu­ral lan­guage. (→ requi­re­ments tem­p­la­te).“
Eige­ne Über­set­zung: “Eine Scha­blo­ne für die syn­tak­ti­sche Struk­tur eines Sat­zes, die eine indi­vi­du­el­le Anfor­de­rung oder eine User Sto­ry in natür­li­cher Spra­che ausdrückt.”

Im Lehr­plan zum CPRE-FL (Cer­ti­fied Pro­fes­sio­nal for Requi­re­ments Engi­nee­ring — Foun­da­ti­on Level) steht /IREB-24/:
“Satz­scha­blo­nen bie­ten eine vor­de­fi­nier­te syn­tak­ti­sche Struk­tur für einen Satz, der eine Anfor­de­rung aus­drückt, ins­be­son­de­re eine indi­vi­du­el­le Anfor­de­rung oder eine User Story.”

In Abbil­dung 1.1 ist die Struk­tur einer ein­fa­chen Satz­scha­blo­ne dargestellt.

Die Satzschablone, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 1.1: Die Satzschablone

Zur Dar­stel­lung der ein­zel­nen Ele­men­te in Abbil­dung 1.1:

  • Alle Ele­men­te der Scha­blo­ne sind ver­pflich­tend auszufüllen
  • Die in Groß­buch­sta­ben geschrie­be­nen Bestand­tei­le sind genau­so “unver­än­dert” zu benutzen
  • Die in “<…>”-Klam­mern ver­wen­de­ten Ele­men­te sind Platz­hal­ter und müs­sen ent­spre­chend aus­ge­füllt werden
  • Die Rei­hen­fol­ge der Ele­men­te ist durch die Scha­blo­ne fest­ge­legt, die Bear­bei­tungs­fol­ge jedoch nicht

2. Die Satzschablone im Einsatz

Betrach­tet man die Satz­scha­blo­ne aus der Ein­lei­tung (Abbil­dung 1.1), so stellt sich die Fra­ge, wie man die ein­zel­nen Bestand­tei­le am sinn­volls­ten zusam­men­stellt. Durch Chris Rupp /Rupp14/ wur­de hier­zu eine Rei­hen­fol­ge und Vor­ge­hens­wei­se fest­ge­legt (Abbil­dung 2.1), die auf­grund der Ver­brei­tung als → Stan­dard bezeich­net wer­den kann.

Die Satzschablone ohne Bedingung, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 2.1: Die Satz­scha­blo­ne ohne Bedingung

Die For­mu­lie­rung der ein­zel­nen Anfor­de­run­gen geschieht dann in ein­zel­nen Schrit­ten.
Die­se sind:

  1. Sys­tem benennen
  2. Recht­li­che → Ver­bind­lich­keit (auch: Ver­bind­lich­keit oder Wich­tig­keit) festlegen
  3. Funk­tio­na­li­tät identifizieren
  4. Art der Funk­tio­na­li­tät bestimmen
  5. Objekt iden­ti­fi­zie­ren

2.0 System benennen

Auch wenn es tri­vi­al klingt: Es muss klar benannt sein, für wel­ches Sys­tem oder Sub­sys­tem eine Anfor­de­rung erfasst wer­den soll. Da es immer einen → Sys­tem­kon­text gibt, fin­det das Sys­tem oder Sub­sys­tem auch immer dort statt.

2.1 Rechtliche Verbindlichkeit festlegen

Das Fest­le­gen der recht­li­chen Ver­bind­lich­keit erfolgt im zwei­ten Schritt. Über die drei Schlüs­sel­wör­ter MUSS, SOLLTE und WIRD ist die­se beschrie­ben (sie­he Abbil­dung 2.2).

Dabei wer­den gilt:

  • Mit “MUSS” wer­den alle Anfor­de­run­gen klas­si­fi­ziert, die umge­setzt wer­den müs­sen. Wer­den MUSS-Anfor­de­run­gen nicht umge­setzt, so kann das ent­ste­hen­de Pro­dukt nicht frei­ge­ge­ben / abge­nom­men werden
  • Mit “SOLLTE” wer­den alle Anfor­de­run­gen klas­si­fi­ziert, die umge­setzt wer­den sollten
  • Mit “WIRD” wer­den alle Anfor­de­run­gen klas­si­fi­ziert, die zukünf­tig umge­setzt wer­den könnten 
Die rechtliche Verbindlichkeit, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 2.2: Die recht­li­che Verbindlichkeit

In Abbil­dung 2.3 sind die Schlüs­sel­wör­ter genau­er beschrie­ben / definiert.

Die rechtliche Verbindlichkeit mit Erläuterungen, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 2.3: Die recht­li­che Ver­bind­lich­keit mit Erläuterungen

Anmer­kung:
Die Ver­wen­dung der Schlüs­sel­wör­ter soll­te mit allen Betei­lig­ten vor­ab bespro­chen wer­den. Ins­be­son­de­re darf — bei die­sem Sche­ma — das Wort KANN nicht zur Beschrei­bung der recht­li­chen Ver­bind­lich­keit ver­wen­det werden.

2.2 Funktionalität identifizieren

Über Pro­zess­wör­ter wird bestimmt, was das betrach­te­te Sys­tem macht. Pro­zess­wör­ter sind die­je­ni­gen Wör­ter, die in einer sepa­ra­ten Tabel­le erfasst und defi­niert wer­den. Alle Anfor­de­run­gen soll­ten nur die­se Pro­zess­wör­ter verwenden.

2.3 Art der Funktionalität bestimmen

In Schritt 3 wird hin­zu­ge­fügt, wel­che “Art” erfasst wer­den soll. Gene­rell wird zwi­schen drei Arten der Funk­tio­na­li­tät unter­schie­den (Abbil­dung 2.5):

  1. Selbst­tä­ti­ge Systemaktivität
  2. Benut­zer­inter­ak­ti­on
  3. Schnitt­stel­len­an­for­de­rung
Die Art der Funktionalität (bei der Satzschablone), (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 2.5: Die Art der Funk­tio­na­li­tät (bei der Satzschablone)

2.4 Objekt identifizieren

Abschlie­ßend wird das Objekt iden­ti­fi­ziert und mit einer Kon­junk­ti­on ein­ge­lei­tet. Dabei sind fol­gen­de Kon­junk­tio­nen häu­fig zu fin­den (Abbil­dung 2.6):

  • FALLS: Hier­über wird eine logi­sche Aus­sa­ge eingeleitet
  • SOBALD: Mit “sobald” wird der → Zeit­punkt für das Ein­tre­ten des Ereig­nis­ses gekennzeichnet
  • SOLANGE: Die Zeit­dau­er wird durch “solan­ge” erfasst
Signalwörter der Bedingungen, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 2.6: Signal­wör­ter der Bedin­gun­gen (aus /Rupp14/)

3. Ergänzungen und Erweiterungen der Satzschablonen

Die ein­fa­che Satz­scha­blo­ne aus Abbil­dung 2.1 kann durch eine Bedin­gung (Punkt 5 in Abbil­dung 3.1) erwei­tert wer­den. Die Bedin­gung gibt vor, unter wel­chen Umstän­den die Anfor­de­rung Gül­tig­keit besitzt.

Die Satzschablone mit Bedingung, (C) Peterjohann Consulting, 2018-2024

Abbil­dung 3.1: Die Satz­scha­blo­ne mit Bedingung

4. Stärken und Schwächen von Satzschablonen

Auch wenn Satz­scha­blo­nen im Requi­re­ments Engi­nee­ring ein­fach ein­ge­setzt wer­den kön­nen, so soll­ten vor­ab deren Stär­ken und Schwä­chen und damit deren Gren­zen bekannt sein.

Stär­ken:

  • Satz­scha­blo­nen las­sen sich schnell ein­set­zen, um “gute” Anfor­de­rungs­sät­ze zu erhalten
  • Satz­scha­blo­nen tra­gen (wie → Glos­sa­re) zu einer gemein­sa­men Fach­spra­che bei
  • Satz­scha­blo­nen hel­fen dabei, → Feh­ler in Beschrei­bun­gen aufzudecken

Schwä­chen:

  • Ohne Schu­lung der Mit­ar­bei­ter (und Ein­übung) ist das Ergeb­nis häu­fig mangelhaft
  • Fügt man die ein­zel­nen, mit Satz­scha­blo­nen erstell­ten Anfor­de­rungs­sät­ze anein­an­der, um bei­spiels­wei­se ein → Las­ten­heft zu erstel­len, so ist das Ergeb­nis schwer zu lesen, da durch die Gleich­för­mig­keit eine Tris­tesse entsteht

5. Hier nicht betrachtete Aspekte

Fol­gen­de Aspek­te wur­den in die­sem Bei­trag nicht betrachtet:

  • → Nicht-funk­tio­na­le Anfor­de­run­gen: Für nicht-funk­tio­na­le Anfor­de­run­gen gibt es eigen­stän­di­ge Satzschablonen
  • Eng­li­sche Satz­scha­blo­nen: Auch für die eng­li­sche Spra­che gibt es eigen­stän­di­ge Scha­blo­nen, die aber im Wesent­li­chen wie die deut­schen auf­ge­baut sind
  • “Agi­le Satz­scha­blo­nen”: → User Sto­ries ver­wen­den eben­falls Satz­scha­blo­nen, die aller­dings in ers­ter Linie nur in agi­len Kon­tex­ten zum Ein­satz kommen

6. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zu den Satzschablonen

Eini­ge Fra­gen zu den Satz­scha­blo­nen wer­den häu­fig gestellt – die­se wer­den hier wiedergegeben.

  • F: Ist der Ein­satz der Satz­scha­blo­nen kos­ten­frei?
    A: Ja. Es fal­len kei­ne Lizenz­ge­büh­ren an.
  • F: Reicht es für ein Requi­re­ments-→ Vor­ha­ben aus, nur Satz­scha­blo­nen zu arbei­ten und auf ergän­zen­de Beschrei­bun­gen zu ver­zich­ten?
    A: Gene­rell kann man die Anfor­de­run­gen für ein Pro­dukt nur über Satz­scha­blo­nen erfas­sen. Aller­dings ist es moti­vie­rend, auch gra­fi­sche Ele­men­te (wie → UML-Dia­gram­me) einzusetzen. 
  • F: Wie oder durch wen kann die Qua­li­tät der mit Hil­fe von Satz­scha­blo­nen for­mu­lier­ten Sät­ze über­prüft wer­den?
    A: Im Zwei­fel durch den­je­ni­gen oder die­je­ni­gen, die die Anfor­de­run­gen in Nach­hin­ein ver­wen­den müs­sen. Sind die Inhal­te ver­ständ­lich und ein­deu­tig, so ist dies ein Qualitätsmerkmal.

Haben Sie noch wei­te­re Fra­gen oder möch­ten Sie Ergän­zun­gen an der FAQ vor­neh­men? Am bes­ten schrei­ben Sie mir hier­zu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.

A. Präsentationen, Literatur und Weblinks

Die Satz­scha­blo­nen wer­den (kurz) in der Prä­sen­ta­ti­on zum Requi­re­ments Engi­nee­ring beschrieben.

Inhalt Typ
Requi­re­ments Engi­nee­ring (und Busi­ness Ana­ly­sis) – Eine Ein­füh­rung (RE-Basis­prä­sen­ta­ti­on)
pdf

In fol­gen­den Büchern wer­den als Teil­aspekt die Satz­scha­blo­nen erläutert:

  • /Ebert19/ Chris­tof Ebert: Sys­te­ma­ti­sches Requi­re­ments Engi­nee­ring. Anfor­de­run­gen ermit­teln, doku­men­tie­ren, ana­ly­sie­ren und ver­wal­ten, dpunkt, Hei­del­berg 6. Auf­la­ge 2019, ISBN 978–3‑86490–562‑9
  • /Hruschka19/ Peter Hrusch­ka: → Busi­ness Ana­ly­sis und Requi­re­ments Engi­nee­ring: Pro­zes­se und Pro­duk­te nach­hal­tig ver­bes­sern, Han­ser, Mün­chen 2. Auf­la­ge 2019, ISBN 978–3‑446–45589‑4
  • /IREB15/ sie­he /Pohl15a/
  • /IREB21/ sie­he /Pohl21/
  • /Pohl15a/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basis­wis­sen Requi­re­ments Engi­nee­ring: Aus- und Wei­ter­bil­dung nach IREB-Stan­dard zum Cer­ti­fied Pro­fes­sio­nal for Requi­re­ments Engi­nee­ring – Foun­da­ti­on Level, dpunkt, Hei­del­berg 4. Auf­la­ge 2015, ISBN 978–3‑89864–771‑7
  • /Pohl15b/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Requi­re­ments Engi­nee­ring Fun­da­men­tals: A Stu­dy Gui­de for the Cer­ti­fied Pro­fes­sio­nal for Requi­re­ments Engi­nee­ring Exam – Foun­da­ti­on Level – IREB com­pli­ant, Rocky Nook, San­ta Bar­ba­ra, Cali­for­nia 2nd Edi­ti­on 2015, ISBN 978–1‑937538–77‑4
  • /Pohl21/ auch /IREB21/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basis­wis­sen Requi­re­ments Engi­nee­ring: Aus- und Wei­ter­bil­dung nach IREB-Stan­dard zum Cer­ti­fied Pro­fes­sio­nal for Requi­re­ments Engi­nee­ring Foun­da­ti­on Level, dpunkt, Hei­del­berg 5. Auf­la­ge 2021, ISBN 978–3‑86490–814‑9
  • /Rupp14/ Chris Rupp: Requi­re­ments-Engi­nee­ring und ‑Manage­ment. Aus der Pra­xis von klas­sisch bis agil, Han­ser, Mün­chen 6. Auf­la­ge 2014, ISBN 978–3‑446–43893‑4
  • /Rupp20/ Chris Rupp: Requi­re­ments-Engi­nee­ring und ‑Manage­ment. Das Hand­buch für Anfor­de­run­gen in jeder Situa­ti­on, Han­ser, Mün­chen 7. Auf­la­ge 2020, ISBN 978–3‑446–45587‑0

Auf fol­gen­de Web­links (zu den Satz­scha­blo­nen) wird hier Bezug genommen:

Legen­de zu den Weblinks
/ / Ver­weis auf eine Web­site (all­ge­mein)
/*/ Ver­weis auf eine Web­site, die als Ergän­zung zu einem Buch dient
/#/ Ver­weis auf ein ein­zel­nes The­ma auf einer Website
/#V/ Ver­weis auf ein Video auf einer Website