Management-Zusammenfassung zu diesem Beitrag:
Die Produktvision (engl. Product → Vision oder Product Vision Statement) beschreibt ein zukünftiges Produkt in kurzer Form. Erst durch eine Produktvision können Produktziele abgeleitet werden, aus denen dann in Anforderungen abgeleitet werden können.
In diesem Beitrag wird die Produktvision beschrieben.
In Abbildung 1 ist die Produktvision im Unternehmens- oder Organisationskontext dargestellt. Sie leitet sich aus der → Mission oder Vision des Unternehmens ab und ist häufig in einem Projektkontext eingebettet.
Abbildung 1: Einordnung von Vision und Zielen bei einem RE-Projekt
Generell wird die Produktvision vor der Ermittlung der → Ziele und Anforderungen erstellt und schriftlich fixiert. Ohne die Produktvision sollte kein neues Produkt erstellt werden.
Wer die Produktvision erstellt, ist nicht immer genau definiert; in größeren Unternehmen / Organisation ist dies in der Regel das Produktmarketing oder das Produktmanagement.
1. Einleitung und Grundlagen
In diesem Kapitel wird Definitionen zur Produktvision wiedergegeben.
1.1 Definitionen
Das → IIBA definiert /BBG17‑d/:
“Produktvision (Product vision statement): Kurzgefasste Aussage über die Ziele, die mit einer Lösung erreicht werden sollen, und darüber, wie die Lösung die Strategie der Unternehmung unterstützen soll.”
Bei Pohl wird angeführt /Pohl21/:
“Die Vision formuliert ein konzeptuelles Leitbild für die Zukunft.”
Ebert schreibt zur Produktvision /Ebert19/:
“Die Produktvision ist die Leitlinie für das konkrete Entwicklungsprojekt. Sie ist Teil des Marketingplans und wird vor der → Anforderungsermittlung vereinbart. Sie leitet die Bewertung und Auswahl der Anforderungen.”
1.2 Das Vision Statement nach Moore
Neben der Produktvision wird auch das “Vision Statement” genutzt, welches häufig im Moore-Format (nach /Moore14/) beschrieben wird.
1.3 Die sieben Prinzipien des Risikomanagements nach dem SEI und die Produktvision
In den sieben Prinzipien des Risikomanagements nach dem → Software Engineering Institute (SEI) wird als ein Prinzip die “Gemeinsame Produktvision” (Shared product vision) genannt. Die gemeinsame Produktvision hilft, das Risiko bei der Entwicklung von Produkten zu reduzieren.
2. Die Produktvision in der praktischen Umsetzung
Die Erstellung und Darstellung der Produktvision kann auf unterschiedliche Weise erfolgen.
Beispiele:
- Der Produktkarton / Produktkoffer (nach /Hruschka19/)
- Der Zeitungsartikel (in der Zukunft)
- Das Product Vision Board nach Pichler
2.1 Der Produktkarton
Der Produktkarton erfasst die einzelnen Aussagen der Produktvision auf einem “einfachen Blatt” und packt das Logo (des Produkts / Projekts) hinzu. Damit diese zentralen Aussagen bei Besprechungen für jedermann gut sichtbar sind, wird das Blatt auf einen Karton oder einen Koffer geklebt.
Abbildung 2: Der Produktkarton
2.2 Der Zeitungsartikel
Ähnlich wie beim Produktkarton / Produktkoffer wird das zu entwickelnde Produkt mit wenigen Sätzen beschrieben. Die Besonderheit ist jedoch, dass dieser Zeitungsartikel den Sachverhalt in der Zukunft unmittelbar nach der Fertigstellung des Produkts beschreibt — entsprechend wird dieser Ansatz auch als “Bericht aus der Zukunft” bezeichnet.
Der Zeitungsartikel kann auch als Marketing-Beitrag gestaltet werden: Dabei wird davon ausgegangen, dass das Marketing das Produkt in der Zukunft (bei der Veröffentlichung / Freigabe) beschreiben soll.
2.3 Das Product Vision Board nach Pichler
Das Product Vision Board nach Pichler erfasst neben der reinen Vision und den drei bis fünf wichtigsten Produkteigenschaften noch die Zielgruppe (engl. Target Group), die Bedürfnisse (Needs) und die Geschäftsziele (Business Goals) (Abbildung 3).
Abbildung 3: Das Product Vision Board nach Pichler /#Pichler-Product-Vision-Board-18/
3. Überprüfung und Anpassung der Produktvision
Ändern sich die Ziele und Randbedingungen des Projekts / Produkts, so muss die Produktvision ebenfalls angepasst werden. Um Änderungen an der Vision passend zu berücksichtigen, müssen zumindest vier Schritte durchgeführt werden:
- Regelmäßiges Überprüfen der Produktvision
- Falls notwendig: Anpassen der Produktvision
- Falls notwendig: Änderungen an der Produktvision in das Produkt einarbeiten
- Änderungen oder Status kommunizieren
4. Häufige Fragen und Antworten zur Produktvision
Einige Fragen zur Produktvision werden häufig gestellt – diese werden hier wiedergegeben.
- F: Muss vor Beginn der Ermittlungstätigkeiten die Produktvision bestimmt werden?
A: Ja. Leider wird dies häufig vergessen, was sich dann im weiteren Verlauf der Entwicklung bemerkbar machen kann. - F: In welcher Form sollte die Produktvision beschrieben werden?
A: Dies ist eigentlich unerheblich, aber es sollte unbedingt eine schriftliche Fixierung erfolgen. - F: Gilt die Produktvision im agilen wie auch im klassischen Kontext?
A: Ja — auch wenn das nicht von allen Fachautoren so gesehen wird. Ohne Produktvision kann im agilen Kontext kein → Backlog erstellt werden und im klassischen Kontext wird es schwierig, die Anforderungen passend auszurichten.
Haben Sie noch weitere Fragen oder möchten Sie Ergänzungen an der FAQ vornehmen? Am besten schreiben Sie mir hierzu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.
A. Präsentationen, Literatur und Weblinks
A.1 Meine Präsentationen
Die Produktvision wird in meiner Präsentation zum Agilen → Requirements Engineering beschrieben.
Inhalt | Typ |
---|---|
Agilität: Agiles Requirements Engineering – Eine Übersicht | |
A.2 Literatur
In folgenden Büchern wird als Aspekt die Produktvision erläutert:
- /BBG15/ IIBA: A Guide to the → Business Analysis Body of Knowledge (BABOK Guide), International Institute of Business Analysis, Marietta, Georgia 3rd Edition 2015, ISBN 978–1‑927584–02‑6
- /BBG17‑d/ IIBA: BABOK v3: Leitfaden zur Business-Analyse BABOK Guide 3.0, Dr. Götz Schmidt, Wettenberg 2017, ISBN 978–3‑945997–03‑1
- /Ebert19/ Christof Ebert: Systematisches Requirements Engineering. Anforderungen ermitteln, dokumentieren, analysieren und verwalten, dpunkt, Heidelberg 6. Auflage 2019, ISBN 978–3‑86490–562‑9
- /Gloger16/ Boris Gloger: → Scrum: Produkte zuverlässig und schnell entwickeln, Hanser, München 5. Auflage 2016, ISBN 978–3‑446–44723‑3
- /Hruschka19/ Peter Hruschka: Business Analysis und Requirements Engineering: Prozesse und Produkte nachhaltig verbessern, Hanser, München 2. Auflage 2019, ISBN 978–3‑446–45589‑4
- /IREB21/ siehe /Pohl21/
- /Moore14/ Geoffrey A. Moore: Crossing the Chasm: Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers, Harper Business, 3rd Edition 2014, ISBN 978–0‑06–229298‑8
- /Pichler13/ Roman Pichler: Agiles Produktmanagement mit Scrum. Erfolgreich als → Product Owner arbeiten, dpunkt, Heidelberg 2. Auflage 2013, ISBN 978–3‑89864–478‑5
- /Pichler16/ Roman Pichler: Strategize: Product Strategy and Product Roadmap Practices for the Digital Age, Pichler Consulting, Wendover, Great Britain 2016, ISBN 978–0‑9934992–0‑3
- /Pohl21/ auch /IREB21/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basiswissen Requirements Engineering: Aus- und Weiterbildung nach → IREB-Standard zum Certified Professional for Requirements Engineering Foundation Level, dpunkt, Heidelberg 5. Auflage 2021, ISBN 978–3‑86490–814‑9
A.3 Weblinks
Auf folgende Weblinks wird hier Bezug genommen:
- /#Pichler-Product-Vision-Board-12/ The Product Vision Board — Artikel von Roman Pichler (englisch)
- /#Pichler-Product-Vision-Board-18/ Das Arbeiten mit dem Product Vision Board — Gastbeitrag von Roman Pichler bei der Fa. microtool 2018
- /#Wiki-Vision-Statement/ Vision Statement in der englischen Wikipedia
Legende zu den Weblinks
/ / Verweis auf eine Website (generell)
/*/ Verweis auf eine Website, die als Buch-Ergänzung dient
/#/ Verweis auf einzelnes Thema auf einer Website
/#V/ Verweis auf ein Video auf einer Website
Letzte Aktualisierung: 06.02.2022 © Peterjohann Consulting, 2005–2023