Die Produktvision Beschreibung der Produktlösung in kurzen Worten

Manage­ment-Zusam­men­fas­sung die­ses Bei­trags:
Die Pro­dukt­vi­si­on (engl. Pro­duct → Visi­on oder Pro­duct Visi­on State­ment) beschreibt ein zukünf­ti­ges Pro­dukt in kur­zer Form. Erst durch eine Pro­dukt­vi­si­on kön­nen Pro­dukt­zie­le abge­lei­tet wer­den, aus denen dann in Anfor­de­run­gen abge­lei­tet wer­den kön­nen.
In die­sem Bei­trag wird die Pro­dukt­vi­si­on beschrieben.

In Abbil­dung 1 ist die Pro­dukt­vi­si­on im Unter­neh­mens- oder Orga­ni­sa­ti­ons­kon­text dar­ge­stellt. Sie lei­tet sich aus der → Mis­si­on oder Visi­on des Unter­neh­mens ab und ist häu­fig in einem Pro­jekt­kon­text eingebettet.

Einordnung von Vision und Zielen bei einem RE-Projekt, (C) Peterjohann Consulting, 2020-2024

Abbil­dung 0.1: Ein­ord­nung von Visi­on und Zie­len bei einem RE-Projekt

Gene­rell wird die Pro­dukt­vi­si­on vor der Ermitt­lung der → Zie­le und Anfor­de­run­gen erstellt und schrift­lich fixiert. Ohne die Pro­dukt­vi­si­on soll­te kein neu­es Pro­dukt erstellt werden.

Wer die Pro­dukt­vi­si­on erstellt, ist nicht immer genau defi­niert; in grö­ße­ren Unter­neh­men / Orga­ni­sa­ti­on ist dies in der Regel das Pro­dukt­mar­ke­ting oder das → Pro­dukt­ma­nage­ment. Bei agi­ler Vor­ge­hens­wei­se trägt in der Regel der → Pro­duct Owner die Ver­ant­wor­tung dafür, dass eine belast­ba­re Pro­dukt­vi­si­on erstellt wird.

1. Einleitung und Grundlagen

In die­sem Kapi­tel wird Defi­ni­tio­nen und grund­le­gen­de Betrach­tun­gen zur Pro­dukt­vi­si­on wiedergegeben.

1.1 Definitionen

Das → IIBA defi­niert /BBG17‑d/:
“Pro­dukt­vi­si­on (Pro­duct visi­on state­ment): Kurz­ge­fass­te Aus­sa­ge über die Zie­le, die mit einer Lösung erreicht wer­den sol­len, und dar­über, wie die Lösung die Stra­te­gie der Unter­neh­mung unter­stüt­zen soll.”

Bei Pohl wird ange­führt /Pohl21/:
“Die Visi­on for­mu­liert ein kon­zep­tu­el­les Leit­bild für die Zukunft.”

Ebert schreibt zur Pro­dukt­vi­si­on /Ebert19/:
“Die Pro­dukt­vi­si­on ist die Leit­li­nie für das kon­kre­te Ent­wick­lungs­pro­jekt. Sie ist Teil des Mar­ke­ting­plans und wird vor der → Anfor­de­rungs­er­mitt­lung ver­ein­bart. Sie lei­tet die Bewer­tung und Aus­wahl der Anforderungen.”

1.2 Das Vision Statement nach Moore

Neben der Pro­dukt­vi­si­on wird auch das “Visi­on State­ment” genutzt, wel­ches häu­fig im Moo­re-For­mat (nach /Moore14/) beschrie­ben wird. Das Pro­duct Visi­on State­ment (wel­ches auch als Posi­tio­ning State­ment bezeich­net wer­den kann) wird im Moo­re-For­mat über eine sie­ben­zei­li­ge → Satz­scha­blo­ne mit fol­gen­dem Auf­bau festgehalten:

Für… (→ Zielgruppe, → Kunde)
der… (→ Problem, Bedürfnis) hat,
liefert… (Produktname)
als… (Produktkategorie)
das Versprechen, dass … (Schlüssel-→ Funktion)
ungleich … (Wettbewerber),
bietet es … (Unique Selling Points - USPs, Wettbewerbsvorteile)

1.3 Die sieben Prinzipien des Risikomanagements nach dem SEI und die Produktvision

In den sie­ben Prin­zi­pi­en des Risi­ko­ma­nage­ments des → Soft­ware Engi­nee­ring Insti­tu­tes (SEI) wird als ein Prin­zip die “Gemein­sa­me Pro­dukt­vi­si­on” (Shared pro­duct visi­on) genannt /#SEI-Software-Risk-Management-1996/. Die gemein­sa­me Pro­dukt­vi­si­on hilft, das Risi­ko bei der Ent­wick­lung von (Software-)Produkten zu reduzieren.

2. Die Produktvision in der praktischen Umsetzung

Die Erstel­lung und Dar­stel­lung der Pro­dukt­vi­si­on kann auf unter­schied­li­che Wei­se erfolgen.

Bei­spie­le:

  • Der Pro­dukt­kar­ton / Pro­dukt­kof­fer (nach /Hruschka19/)
  • Der Zei­tungs­ar­ti­kel (in der Zukunft)
  • Das Pro­duct Visi­on Board nach Pichler

2.1 Der Produktkarton

Der Pro­dukt­kar­ton erfasst die ein­zel­nen Aus­sa­gen der Pro­dukt­vi­si­on auf einem “ein­fa­chen Blatt” und packt das Logo (des Pro­dukts / Pro­jekts) hin­zu (Abbil­dung 2.1). Damit die­se zen­tra­len Aus­sa­gen bei Bespre­chun­gen für jeder­mann gut sicht­bar sind, wird das Blatt auf einen Kar­ton oder einen Kof­fer geklebt.

Der Produktkarton, (C) Peterjohann Consulting, 2021-2024

Abbil­dung 2.1: Der Produktkarton

2.2 Der Zeitungsartikel

Ähn­lich wie beim Pro­dukt­kar­ton / Pro­dukt­kof­fer wird das zu ent­wi­ckeln­de Pro­dukt mit weni­gen Sät­zen beschrie­ben. Die Beson­der­heit ist jedoch, dass die­ser Zei­tungs­ar­ti­kel den Sach­ver­halt in der Zukunft unmit­tel­bar nach der Fer­tig­stel­lung des Pro­dukts beschreibt — ent­spre­chend wird die­ser Ansatz auch als “Bericht aus der Zukunft” bezeichnet.

Der Zei­tungs­ar­ti­kel kann auch als Mar­ke­ting-Bei­trag gestal­tet wer­den: Dabei wird davon aus­ge­gan­gen, dass das Mar­ke­ting das Pro­dukt in der Zukunft (bei der Ver­öf­fent­li­chung / Frei­ga­be) beschrei­ben soll.

2.3 Das Product Vision Board nach Pichler

Das Pro­duct Visi­on Board nach Pich­ler erfasst neben der rei­nen Visi­on und den drei bis fünf wich­tigs­ten Pro­duk­tei­gen­schaf­ten noch die Ziel­grup­pe (engl. Tar­get Group), die Bedürf­nis­se (Needs) und die Geschäfts­zie­le (Busi­ness Goals) (Abbil­dung 2.2).

Das Product Vision Board nach Pichler, (C) Peterjohann Consulting, 2021-2024

Abbil­dung 2.2: Das Pro­duct Visi­on Board nach Pich­ler /#Pichler-Product-Vision-Board-18/

3. Die Verwendung der Produktvision

3.1 Ableiten von Anforderungen

Bei Pich­ler /Pichler22, Pichler23/ wird aus der Pro­dukt­vi­si­on die Pro­dukt­stra­te­gie, aus der eine Pro­dukt-→ Road­map und schließ­lich ein Pro­duct → Back­log abge­lei­tet wird (Abbil­dung 3.1). Die­se Sicht­wei­se ist für agi­les Vor­ge­hen prä­de­sti­niert, bei klas­si­schen Pro­jek­ten mit → Pro­jekt­struk­tur­plan greift es nur unzu­rei­chend, da Releases mit Mei­len­stei­nen fehlen.

Von der Produktvision zum Product Backlog nach Pichler, (C) Peterjohann Consulting, 2023-2024

Abbil­dung 3.1: Von der Pro­dukt­vi­si­on zum Pro­duct Back­log nach Pichler

In Abbil­dung 4 ist ein all­ge­mei­ne­rer Ansatz für die Wei­ter­ver­wen­dung dar­ge­stellt, der sowohl beim agi­len als auch beim klas­si­schen Vor­ge­hen ein­setz­bar ist. Hier­zu wird ein Pro­duct → Release­plan ver­wen­det, der all­ge­mein for­mu­liert wird, also unab­hän­gig vom Vor­ge­hens­mo­dell ist.

Von der Produktvision zu den Produktanforderungen, (C) Peterjohann Consulting, 2023-2024

Abbil­dung 3.2: Von der Pro­dukt­vi­si­on zu den Produktanforderungen

3.2 Die Überprüfung und Anpassung der Produktvision

Ändern sich die Zie­le und Rand­be­din­gun­gen des Pro­jekts / Pro­dukts, so muss die Pro­dukt­vi­si­on eben­falls ange­passt wer­den. Um Ände­run­gen an der Visi­on pas­send zu berück­sich­ti­gen, müs­sen zumin­dest vier Schrit­te durch­ge­führt werden:

  1. Regel­mä­ßi­ges Über­prü­fen der Produktvision
  2. Falls not­wen­dig: Anpas­sen der Produktvision 
  3. Falls not­wen­dig: Ände­run­gen an der Pro­dukt­vi­si­on in das Pro­dukt einarbeiten
  4. Ände­run­gen oder Sta­tus kommunizieren

4. Häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ) zur Produktvision

Eini­ge Fra­gen zur Pro­dukt­vi­si­on wer­den häu­fig gestellt – die­se wer­den hier wiedergegeben.

  • F: Muss vor Beginn der Ermitt­lungs­tä­tig­kei­ten (der Zie­le und Anfor­de­run­gen) die Pro­dukt­vi­si­on bestimmt wer­den?
    A: Ja. Lei­der wird dies häu­fig ver­ges­sen, was sich dann im wei­te­ren Ver­lauf der Ent­wick­lung bemerk­bar machen kann. Die Pro­dukt­vi­si­on ist der “Leit­stern” der Entwicklung.
  • F: In wel­cher Form soll­te die Pro­dukt­vi­si­on beschrie­ben wer­den?
    A: Dies ist eigent­lich uner­heb­lich, aber es soll­te unbe­dingt eine schrift­li­che Fixie­rung erfolgen.
  • F: Gilt die Pro­dukt­vi­si­on im agi­len wie auch im klas­si­schen Kon­text?
    A: Ja — auch wenn das nicht von allen Fach­au­to­ren so gese­hen wird. Ohne Pro­dukt­vi­si­on kann im agi­len Kon­text kein Back­log erstellt wer­den und im klas­si­schen Kon­text wird es schwie­rig, die Anfor­de­run­gen pas­send aus­zu­rich­ten und spä­ter einen Pro­jekt­struk­tur­plan zu erstellen.
  • F: Wer ist für die Erstel­lung der Pro­dukt­vi­si­on ver­ant­wort­lich?
    A: Der Pro­dukt­ma­na­ger ist dafür ver­ant­wort­lich, dass die Pro­dukt­vi­si­on erstellt wird. Bei agi­ler Vor­ge­hens­wei­se wird häu­fig auf den Pro­dukt­ma­na­ger ver­zich­tet — dann trägt der Pro­duct Owner die Ver­ant­wor­tung für die Erstellung.

Haben Sie noch wei­te­re Fra­gen oder möch­ten Sie Ergän­zun­gen an der FAQ vor­neh­men? Am bes­ten schrei­ben Sie mir hier­zu eine E‑Mail an: kontakt@peterjohann-consulting.de.

A. Präsentationen, Literatur und Weblinks

A.1 Meine Präsentationen

Die Pro­dukt­vi­si­on wird in mei­ner Prä­sen­ta­ti­on zum Agi­len → Requi­re­ments Engi­nee­ring beschrieben.

Inhalt Typ
Agi­li­tät: Agi­les Requi­re­ments Engi­nee­ring – Eine Übersicht
pdf

A.2 Literatur

In fol­gen­den Büchern wird als Aspekt die Pro­dukt­vi­si­on erläutert:

  • /BBG15/ IIBA: A Gui­de to the → Busi­ness Ana­ly­sis Body of Know­ledge (BABOK Gui­de), Inter­na­tio­nal Insti­tu­te of Busi­ness Ana­ly­sis, Mari­et­ta, Geor­gia 3rd Edi­ti­on 2015, ISBN 978–1‑927584–02‑6
  • /BBG17‑d/ IIBA: BABOK v3: Leit­fa­den zur Busi­ness-Ana­ly­se BABOK Gui­de 3.0, Dr. Götz Schmidt, Wet­ten­berg 2017, ISBN 978–3‑945997–03‑1
  • /Ebert19/ Chris­tof Ebert: Sys­te­ma­ti­sches Requi­re­ments Engi­nee­ring. Anfor­de­run­gen ermit­teln, doku­men­tie­ren, ana­ly­sie­ren und ver­wal­ten, dpunkt, Hei­del­berg 6. Auf­la­ge 2019, ISBN 978–3‑86490–562‑9
  • /Gloger16/ Boris Glo­ger: → Scrum. Pro­duk­te zuver­läs­sig und schnell ent­wi­ckeln, Han­ser, Mün­chen 5. Auf­la­ge 2016, ISBN 978–3‑446–44723‑3
  • /Hruschka19/ Peter Hrusch­ka: → Busi­ness Ana­ly­sis und Requi­re­ments Engi­nee­ring. Pro­zes­se und Pro­duk­te nach­hal­tig ver­bes­sern, Han­ser, Mün­chen 2. Auf­la­ge 2019, ISBN 978–3‑446–45589‑4
  • /IREB21/ sie­he /Pohl21/
  • /Moore14/ Geoffrey A. Moo­re: Crossing the Chasm. Mar­ke­ting and Sel­ling Dis­rup­ti­ve Pro­ducts to Main­stream Cus­to­mers, Har­per Busi­ness, 3rd Edi­ti­on 2014, ISBN 978–0‑06–229298‑8
  • /Pichler13/ Roman Pich­ler: Agi­les Pro­dukt­ma­nage­ment mit Scrum. Erfolg­reich als Pro­duct Owner arbei­ten, dpunkt, Hei­del­berg 2. Auf­la­ge 2013, ISBN 978–3‑89864–478‑5
  • /Pichler16/ Roman Pich­ler: Stra­te­gi­ze. Pro­duct Stra­tegy and Pro­duct Road­map Prac­ti­ces for the Digi­tal Age, Pich­ler Con­sul­ting, Wen­do­ver, Gre­at Bri­tain 2016, ISBN 978–0‑9934992–0‑3
  • /Pichler22/ Roman Pich­ler: Stra­te­gi­ze. Pro­duct Stra­tegy and Pro­duct Road­map Prac­ti­ces for the Digi­tal Age, Pich­ler Con­sul­ting, Wen­do­ver, Gre­at Bri­tain 2nd Edi­ton 2022, ISBN 978–0‑9934992–4‑1
  • /Pichler23/ Roman Pich­ler: Stra­te­gi­sches Pro­dukt­ma­nage­ment. Pro­dukt­stra­te­gien und ‑Road­maps für digi­ta­le Pro­duk­te und agi­le → Teams, dpunkt, Hei­del­berg 2023, ISBN 978–3‑86490–965‑8
  • /Pohl21/ auch /IREB21/ Klaus Pohl, Chris Rupp: Basis­wis­sen Requi­re­ments Engi­nee­ring. Aus- und Wei­ter­bil­dung nach → IREB-→ Stan­dard zum Cer­ti­fied Pro­fes­sio­nal for Requi­re­ments Engi­nee­ring Foun­da­ti­on Level, dpunkt, Hei­del­berg 5. Auf­la­ge 2021, ISBN 978–3‑86490–814‑9

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